geschickt
von Janine am 22. September 2002
Die Schwierigkeit,
es allen recht machen zu wollen
Ein Vater zog mit seinem Sohn und einem Esel in der Mittagsglut
durch die staubigen Gassen von Keshan. Der Vater saß auf dem
Esel, den der Junge führte. "Der arme Junge", sagte da
ein vorübergehender. "Seine kurzen Beinchen versuchen mit
dem Tempo des Esels Schritt zu halten. Wie kann man so faul auf
dem Esel herumsitzen, wenn man sieht, dass das kleine Kind sich müde
läuft." Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der
nächsten Ecke ab und ließ den Jungen aufsitzen. Gar nicht lange
dauerte es, da erhob schon wieder ein Vorübergehender seine
Stimme: "So eine Unverschämtheit. Sitzt doch der kleine
Bengel wie ein Sultan auf dem Esel, während sein armer, alter
Vater nebenher läuft." Dies schmerzte den Jungen und er bat
den Vater, sich hinter ihn auf den Esel zu setzen. "Hat man
so etwas schon gesehen?" keifte eine schleierverhangene Frau,
"solche Tierquälerei! Dem armen Esel hängt der Rücken
durch, und der alte und der junge Nichtsnutz ruhen sich auf ihm
aus, als wäre er ein Diwan, die arme Kreatur!" Die
Gescholtenen schauten sich an und stiegen beide, ohne ein Wort zu
sagen, vom Esel herunter. Kaum waren sie wenige Schritte neben dem
Tier hergegangen, machte sich ein Fremder über sie lustig:
"So dumm möchte ich nicht sein. Wozu führt ihr den Esel
spazieren, wenn er nichts leistet, euch keinen Nutzen bringt und
noch nicht einmal einen von euch trägt?" Der Vater schob dem
Esel eine Hand voll Stroh ins Maul und legte seine Hand auf die
Schulter seines Sohns. "Gleichgültig, was wir machen",
sagte er, "es findest sich doch jemand, der damit nicht
einverstanden ist. Ich glaube, wir müssen selbst wissen, was wir
für richtig halten."
Janine
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